Weglaufen bringt nichts: Warum man Gefühle zulassen muss.

Ich habe immer gedacht, dass es nicht gut ist, wenn man emotional ist. Ich dachte, dass es sich nicht gehört oder dass es nicht „normal“ ist, wenn man so extreme Gefühle hat. Ganz egal ob negative oder positive. Warum ich das dachte? Wahrscheinlich hat das alles etwas mit meiner Erziehung zu tun oder andere Faktoren spielen eine Rolle. Es fing damit an, dass ich zwar Gefühle hatte und sie identifizieren konnte, aber ich unglaubliche Probleme damit hatte sie in Gegenwart von anderen Menschen rauszulassen. Später dann konnte ich meine Gefühle irgendwann nicht mal mehr richtig einordnen. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich etwas fühle. Das klingt vielleicht unverständlich, aber ich war einfach nicht verbunden mit meinen Emotionen, was dazu führte, dass ich sie nicht spüren und folglich nicht herauslassen konnte. Ich dachte, dass das etwas Positives ist. Ich dachte, dass das ein Zeichen von Stärke ist. Ich bin stark, weil mich nichts trifft. Ich bin stark, weil ich nichts spüre. Und klar ist es vielleicht praktisch, wenn es dich nicht trifft von jemandem ignoriert zu werden, den du magst. Es ist auch praktisch, wenn schmerzhafte Worte an dir abprallen wie Gummi. Es war mir egal. Ich war überzeugt davon, dass es mir absolut nichts ausmacht. Vor etwa 5,6 Jahren (als ich noch zur Schule ging) habe ich mich verliebt. Das erste Mal nach einer seeeehr seehr langen Zeit. Und es hat mich echt überrascht. Es war ein schleichender Prozess, wie wenn man beim Gehen telefoniert und plötzlich merkt, dass man viel zu weit gegangen ist. Es war ein Gefühl, dass sich eingeschlichen hat und irgendwann wurde es immer präsenter. Ich fasse die Geschichte jetzt schnell zusammen: Da war ein Typ, der an mir interessiert war. Er war unglaublich nett und süß, obwohl ich unglaublich assozial war. Irgendwann kamen bei mir Gefühle hoch und ich bin durchgedreht und habe sie ignoriert. Anstatt sich darüber zu freuen, dass er mich mag bekam ich Panik und lief weg. Jeden Tag. Egal wann oder wo. Ich lief weg. (Ihr merkt ich bin nicht so der Experte was Flirten angeht.) Auf jeden Fall haben wir irgendwann die Schule verlassen und ich habe mir eingeredet ich hätte keine Zeit für sowas, denn ich verwirkliche mich jetzt selbst bla bla bla. Das heißt ich habe mal wieder meine Gefühle in die hintersten Ecken meines Bewusstseins verdrängt. Die Zeit verging und es gab Typen hier und da, aber ich merkte, dass der Typ aus der Schulzeit immer mal wieder zum Thema wurde. Mich erwischten Phasen, wo es mich echt interessierte, ob es ihm gut geht und was er jetzt so macht. Immer wieder kamen Erinnerungen hoch. Das ging 5 Jahre so. Aber jedes Mal, wenn wir Kontakt hatten brach er recht bald ab. Und drei Mal dürft ihr raten: Ja, es war mir „egal“. Ich habe 5 Jahre lang meine Gefühle ignoriert und nicht rausgelassen. Irgendwann vor ein paar Monaten, hatte ich dann wieder so eine Phase. Aber diesmal war es anders. Es war nicht einfach nur ein flüchtiger Gedanke wie sonst. Es war nicht einfach nur: „Hey ..... hat doch dieses Lied damals immer gehört. Wie es ihm wohl geht?“ Es war so als wärst du frisch verliebt. Unglücklich verliebt. Frisch verliebt in jemanden, der unerreichbar ist. Ich hatte Liebeskummer. 5 Jahre zuspät, aber trotzdem kein bisschen weniger beschissen. Zuerst dachte ich, ich bin verrückt. Wie zur Hölle kannst du so verletzt sein wegen jemandem, den du seit 5 Jahren oder so nicht wirklich gesehen hast? Ich habe aus heiterem Himmel 24/7 an ihn gedacht. NACH FUCKING 5 JAHREN. Das war ungefähr so, als würde dir jemanden in die Fresse schlagen und erst  nach 5 Jahren spürst du den Schmerz. Meine erste Reaktion war es auf meine übliche Methode zurückzugreifen und den ganzen Scheiß zu ignorieren. Das habe ich dann auch getan. Ich dachte mir, „Du musst stark sein. Wenn du dem ganzen Scheiß nachgibst, dann kommst du nie darüber hinweg.“ Ich war noch immer davon überzeugt, dass man alles am besten verarbeitet indem man es ignoriert und unterdrückt. Kleiner Spoiler am Rande: Ich lag falsch und das ist Bullshit. Nachdem sich meine übliche Methode als ein Haufen Müll entpuppte, habe ich eine neue (schon lange existierende, jedoch von mir total ignorierte) These aufgestellt: Man muss Gefühle zulassen und spüren um sie zu verarbeiten. Du musst dich mit etwas auseinandersetzten um darüber hinwegzukommen. All die Sachen, denen du dich nicht stellst holen dich früher oder später ein. Ich bin das beste Beispiel dafür. Ich hatte schon ein paar Mal Liebeskummer und es war scheiße, aber nach einer Zeit war es weg und ich habe damit abgeschlossen und es war vorbei. Das letzte Mal vor etwas mehr als einem Jahr. Da habe ich gedacht, ich werde nie im Leben darüber hinwegkommen. Es hat so weh getan, dass ich echt schon physische Schmerzen hatte, aber ein Monat später und alles sah ganz anders aus. Ich bin schneller darüber hinweggekommen als gedacht. Und seitdem sind jegliche Gefühle (egal ob positiv oder negativ) im Bezug auf diese Person verschwunden. Es ist abgeheilt und ich weiß das Kapitel ist für immer vorbei. Aber  in dem in diesem Blogpost geschilderten Fall war es anders. Ich habe mich geweigert die Gefühle anzunehmen und jetzt muss ich die Drecksarbeit für mein 18- jähriges Ich erledigen. Ich muss mich mit nie richtig verheilten Wunden herumschlagen, die schon 5 Jahre alt sind.  Aber ich sehe das alles als einen positiven und gesunden Prozess. Auch wenn ich 5 Jahre zuspät draufkomme ist es nicht weniger wichtig das Geschehene zu verarbeiten. Und ich habe echt keine Lust mehr mich alle paar Monate mit dem gleichen Scheiß herumzuschlagen. Ich muss das Geschehene akzeptieren und meinen scheiß Stolz herunterschlucken und die Gefühle zulassen. Ich glaube auch, dass die Angst vor den Gefühlen viel schlimmer ist, als die Gefühle an sich. Also wie macht man das? Wie stellt man sich seinen Emotionen? Ich habe zuerst einmal akzeptiert, dass ich nicht über die Person hinweg bin. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Meine erste Reaktion war: „Du musst das ignorieren und darfst dich auf keinen Fall bei ihm melden, sonst verzögerst du den Heilungsprozess.“ Nach ein paar Wochen habe ich gemerkt, dass diese Taktik nicht funktioniert, also habe ich es mit dem genauen Gegenteil versucht. Anstatt wegzulaufen, habe ich mich auf die Sache gestürzt. Ich habe ihn auf jeglichen sozialen Netzwerken hinzugefügt und habe Kontakt aufgenommen. (Was nicht unbedingt vorteilhaft war für mein Selbstbewusstsein und meinen Stolz, aber der Heilungsprozess ist viel wichtiger als die Millionen Abfuhren, die ich in binnen von ein paar Wochen bekommen habe.) Es war echt nicht leicht, weil er absolut nicht gut auf mich zu sprechen ist. Es waren teilweise ein paar echt harte Situationen dabei, aber ich wusste was ich mache und wieso ich das mache. Ich war oftmals davor einfach drauf zu scheißen, aber ich dachte mir, wenn ich das jetzt nicht durchziehe, dann wird es noch länger dauern bis es verheilt. Nun ja, ich habe eine Menge Abfuhren kassiert. Bei manchen Nachrichten wurde mir echt physisch schlecht, weil manche Sachen echt nicht leicht zu verdauen sind.  Aber ich habe das alles in Kauf genommen. Es war weder der schönere noch der leichtere Ausweg, aber für mich war es die einzig richtige Art den Heilungsprozess einzuleiten. Es wäre einfacher gewesen wegzulaufen, aber ich weiß was passiert, wenn ich das tue: Es holt mich irgendwann wieder ein. Was ich aus dieser ganze Sache gelernt habe ist folgendes: Lass die Gefühle zu und nimm dir Zeit. Wenn du merkst du bist noch immer nicht über etwas hinweg, dann ignorier es nicht, sondern lass es raus. Heule, schreibe, rede und stell dich der Scheiße, denn alles andere ist zwecklos. Und du solltest dich auf keinen Fall für solche Sachen schämen. Wie gesagt ich habe in paar Wochen so viele Abfuhren bekommen wie manche Menschen in einem Leben nicht. Schäme ich mich? Kein Stück. 

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